Osterath

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Osterath: Die jüdische Vergangenheit wachrufen

Ein Gedenkstein erinnert an den ehemaligen jüdischen Friedhof in Osterath.

1867 Die hiesige Judengenossenschaft, welche eine Synagoge besitzt erhält aus dem Eigentum der Gemeinde eine Fläche von 45 Ruten als Begräbnisstätte auf der Heide zugesprochen.

2005 09 28, Marc Ingel
Es ist ein Paradies für Familien mit Kindern das Neubaugebiet auf dem ehemaligen Sportplatz am Schiefelberg mit seinen 25 schmucken Wohneinheiten. Doch wohl nur die wenigsten der Neu-Osterather dürften Kenntnis darüber haben, dass hier eines von vielen traurigen Kapiteln deutscher Geschichte geschrieben wurde.

Bis zur Ergreifung der Macht durch die Nazis 1933 lebte eine Gruppe von rund 50 Juden in Osterath, voll integriert in das dörfliche Leben. Wie Julius Gutmann, Metzger im Ort, Schriftführer des Kegelclubs "Alle Neune", Frontkämpfer im Ersten Weltkrieg und mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet.

Das Schicksal des Osterathers beschreibt Marie-Sophie Aust in einem Beitrag für die Meerbuscher Geschichtshefte. Wie Gutmann 1935 vergeblich die "Arierin" Helene Zimmermann heiraten wollte, seine Ware per Rad auslieferte, weil sich niemand mehr traute, bei einem Juden einzukaufen.

Wie er 1942 schließlich mit seiner späteren Frau Sabine in das KZ Theresienstadt deportiert wurde, zwar überlebte und nach Osterath zurückkehrte, 1948 aber als gebrochener Mann im Dominikus-Krankenhaus in Heerdt im Alter von 65 Jahren verstarb.

Es sind diese Menschen, an die ein gestern enthüllter Gedenkstein erinnern soll, der dort positioniert wurde, wo heute auf dem Spielplatz Kinder herumtollen. Ungefähr an dieser Stelle muss bis 1935 der jüdische Friedhof in Osterath gelegen haben, der "gute Ort" gerufen, nach dem die neue Wohnstraße nun benannt ist.

"Er wurde von den Nazis damals überbaut, die Grabsteine transportierte man nach Krefeld", weiß Herbert Rubinstein, Geschäftsführer des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden Nordrhein, der es begrüßt, dass sich die Stadt Meerbusch ihrer Vergangenheit stellt. "Geschichtsbewusstsein ist wichtiger denn je, auch dunkle Kapitel dürfen nicht unter den Teppich gekehrt werden."

Der Findling erhält keine Informationstafel, so wünscht es sich die Jüdische Gemeinde. Nur auf dem Straßenschild finden sich einige Erläuterungen. "Ich habe auch überhaupt nichts dagegen, dass Kinder auf den Stein steigen und spielen", sagt Rubinstein.

Freuen würde er sich natürlich schon darüber, wenn der eine oder andere vielleicht beim Vorübergehen kurz innehält, den Sinn hinterfragt, den Zusatz auf dem Straßenschild liest und sich so ehemaliger Mitbürger wie Julius Gutmann erinnert.

Danke an Herrn Lothar Klouten für die folgende Ergänzung:

b. 1935: Die Umlegung des jüdischen Friedhofs Osterath nach Krefeld

    und die Kontroverse über die Rolle von Bürgermeister Recken bis heute

„In Osterath wurde der dortige jüdische Friedhof 1934 geschändet und zerstört.“

Text auf der Webseite „Denkmalgalerie in Meerbusch“ des „Ortskuratoriums Meerbusch der Deutschen Stiftung Denkmalschutz“.

Zwei Menschen haben sich mit der Geschichte des jüdischen Friedhofs in Osterath intensiv auseinandergesetzt:

-          Günter Janß. Der Osterather Judenfriedhof und die Geschichte der jüdischen Gemeinde. Meerbuscher Geschichtshefte 14.1979, S.49-78.

-          Manfred Claes. Auf den Spuren der Vergangenheit. Lebensbilder Osterath. Meerbusch 2002.

Der Beitrag von Günter Janß wurde 1996 unter anderem Titel und in anderer Version in „Die Heimat. Krefelder Jahrbuch“ veröffentlicht. Auf diesen Beitrag hatte Frau Dr. Schupetta verwiesen, als bei ihr von der Stadt Meerusch angefragt wurde. Doch welche Schlussfolgerungen auf diesen Hinweis und den Inhalt beider Versionen sind von Herrn Regenbrecht gezogen wurden – außer die Version in den Meerbuscher Geschichtsheften als Literatur zu benennen? Dazu schweigt er beredt. „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Paul Watzlawick.

Im Bestand Osterath III 1997 finden wir ein Schreiben von Bürgermeister Hugo Recken an den stellvertretenden NSDAP-Ortsgruppenleiter Schwengers vom 10. Dezember 1934:

-DOKUMENT-

Also Umlegung auf eine weitestmöglich seperierte Ecke des Osterather Friedhofs.

In der Osterater Zeitung finden wir am 4. Februar 1935 die „Bekanntmachung: ‚Errichtung von Eigenheimen’“ von Bürgermeister Hugo Recken.

-DOKUMENT-

Den sich bei der Gemeindeverwaltung meldenden Adressaten war klar, dass „ihr“ Grundstück Teil des jüdischen Friedhofs sein könnte.

Am 18. Mai 1935 finden wir in der Osterather Zeitung die Meldung „Ausgrabungen auf dem jüdischen Friedhof“.

-DOKUMENT-

Was war in Osterath innerhalb weniger Monate geschehen?  

Diese Frage beantwortet Günter Janß: „In den zwanziger Jahren soll in Osterath der Plan entwickelt worden sein, eine Siedlung für kinderreiche Familien zu bauen. Dafür, dass das Projekt auch zu Anfang der dreißiger Jahre noch nicht verwirklicht worden war, gab es eine Menge Gründe: Inflation, die noch ungewohnten Arbeitsstrukturen in der jungen Demokratie und manches andere mehr. Ein Grund bestand auch in gewissen Hemmungen, weil die Gemeinde die Siedlung genau dort errichten wollte, wo sich der kleine Friedhof der Juden befand, in der ‚Hoterheide’. Aber ermutigt durch die immer aggressiver auftretende antisemitische Propaganda wähnte man die Gelegenheit günstig und beschloss im Herbst 1934 die Schaffung der Heimstätte für kinderreiche Familien, wie seit langem geplant, denn es gäbe im gesamten Bereich der Kommunalgemeinde sonst kein anderes Gelände, das derart für das Vorhaben geeignet sei.“ (S.51f.)

Wer war „man“? Und wie ist das Argument keiner anderen Gelände-Alternative zu bewerten?

„Man“ war die örtliche Elite in Gesellschaft und Politik incl. Verwaltung, dort Hugo Recken und seine rechte Hand Johannes Herbrandt. Zur Schein-Legitmation wurde in bürokratischer Manier ein Grund erfunden: Keine Gelände-Alternative. Ein Blick auf eine Osterather Karte aus dieser Zeit genügt zur Einsicht. Bürokratie schafft sich interessengeleitet ihre Legitimation – hier für eine extreme antisemitische Maßnahme. Zur bürokratischen Absicherung nach Außen der Brief an den stellvertretenden NSDAP-Ortsgruppenleiter.

In der aktuellen apologetischen Darstellung der historischen Sachverhalte weist der Meerbuscher Stadtarchivar Regenbrecht im Auftrag von Bürgermeister Spindler – interessengeleitet bewußt- unreflektiert auf ein Argument, das Johannes Herbrandt für Bürgermeister Hugo Recken –und sich selbst- nach 1945 verwandte: Die Umlegung des jüdischen Friedhofs sei im guten Einvernehmen mit der jüdischen Gemeinde erfolgt. Sehen wir uns dieses Legitimations-Argument genauer an.

Günter Janß führt aus, dass für die örtliche jüdische Gemeinde Gustav Kiefer einer Umlegung in Osterath zustimmen wollte, die jüdische Gemeinde in Krefeld, zu der die Osterather jüdischen Glaubens gehörten, teilte aber am 7. Februar 1935 Bürgermeister Hugo Recken schriftlich Bedenken mit. Zu diesem Schreiben formulierte Janß: „Aus den abschließenden Sätzen desselben Schreibens kann man jahrhundertealte Erfahrung verfolgten Judengemeinden heraushören und spürt deutlich die Sorge vor der sich ausweitenden Intoleranz des nationalsozialistischen Staates. Dort heißt es: ‚Nachdem sie uns bestätigt haben, dass das Eigentum an dem Friedhofsgelände der Zivilgemeinde zusteht, haben wir uns den Anordnungen der Zivilgemeinde zu fügen. Wenn also die Umlegung unvermeidlich sein sollte, bitten wir sie diese in pietätvoller Weise vorzunehmen... Wir gehen dabei der Erwartung Ausdruck, dass nach menschlichem Ermessen eine nochmalige Umlegung in späterer Zeit nicht mehr in Frage kommt.’“ (S.52)

Wie oben zitiert war bereits am 4. Februar 1935 in der Osterather Zeitung die offizielle Anzeige von Bürgermeister Recken abgedruckt: „... auf dem zwischen dem Sportplatz und Rheinischer Bahn gelegenen Grundstück...“, also unter Einbeziehung des jüdischen Friedhofs. Die geschaffenen Fakten mussten von Recken noch Schein-Legal verpackt werden, die Strategie der Nationalsozialisten.   

Günter Janß führt weiter aus, dass Bürgermeister Hugo Recken auf die Verlegung des jüdischen Friedhofs drängte. Und: „Dem schwebte sicher die Idee eines ‚judenfreien’ Friedhofs vor.“ (S.54f.) „Ob und inwieweit er als Amtträger in einem ideologisieren, totalitäten Staat für den Wechsel des Verhandlunsgansatzes verantwortlich und sogar letzverantwortlich war, kann im Rahmen dieser Ausarbeitung nicht sachgerecht diskutiert und entschieden werden.“ (S.68, Anm. 16)

Hat Herr Regenbrecht seine Argumentation aus diesem Zitat bezogen? Im Kontext der in dieser Arbeit dokumentierten Aktivitäten von Bürgermeister Hugo Recken: Er wollte, das aus Osterath alles jüdische getilgt wird.

Janß weiter: „Als der Vorstand der Synagogengemeinde, um den innergemeidlichen Frieden zu retten, am 21. Februar 1935 noch einmal an die Landbürgermeisterei schrieb und dabei den Wunsch der Osterather Judengruppe wieder ins Gespräch zu bringen versuchte, antworte man mit ‚Erstaunen und Befremden über den Sinneswandel’. In dem Schreiben der Bürgermeisterei vom 9. März 1935 an die Krefelder Synagogengemeinde werden nun schärfere Töne angeschlagen. Es wir sogar gedroht: ‚Bei den mündlichen Verhandlungen war allen beteiligten Stellen zugesagt worden, dass bei der Umlegung des Friedhofes und den dabei zu treffenden Maßnahmen nach jeder Richtung Entgegenkommen gezeigt würde. Nachdem nunmehr die von Ihnen aufgezeigten Schwierigkeiten aufgetreten sind, kann der hiesigen Stelle eine Mehrleistung, über die gesetzlich vorgeschriebene hinaus, nicht zugemutet werden. Aus diesem Grund werden bei einer Umbettung der Leichen auf den neuen Osterather Friedhof diejenigen Gräber nicht berücksichtigt, in welchen sich Leichen befinden, die bereits vor (mehr als) 30 Jahren beerdigt wurden. Unter Berücksichtigung der Ihnen mitgeteilten Verhältnisse bitte ich nochmals um die Übernahme der Leichen hiesiger jüdischer Religionsangehöriger. Einer diesbezüglichen Mitteilung sehe ich bis zum 25. ds. Mts. entgegen.“ (S. 54)

Geht es nicht wie bürokratisch gewünscht, fällt der Schleier der bürokratischen Schein-Freundlichkeit, und das Mittel der Nötigung wird genutzt. Die bürokratische Verärgerung ist auch bedingt durch den ausgelösten Zwang zur Schriftlichkeit. Ergebnisse mündlicher Verhandlungen sind gut interessengeleitet zu interpretieren, die Gegenseite gegenüber Bürokraten chancenlos. Und: Noch am 9. März 1935 ist offiziell vom „neuen Osterather Friedhof“ als Option die Rede. Bürokratische Aussagen ohne absolute rechtliche Absicherung haben keinen Wert. Und die konnte es für Juden in Deutschland 1935 nicht geben.

Janß weiter: „Nach einer Zwischenantwort schon am 13. März 1935 schreibt der Synagogenvorstand fristgerecht und endgültig: ‚Unsere Osterather Glaubensgenossen haben sich auf unsere Vorstellung hin mit der Umbettung nach hier einverstanden erklärt... Wir setzen aber voraus, dass die Umbettung sämtlicher Leichen, die auf dem Osterather Friedhof begraben sind, durch Sie und auf Ihre Kosten erfolgt, dazu gehört natürlich auch die Aus- und Zuwerfung der neuen Gräber hier und die Wideraufstellung der Grabsteine.“(S.54)

„Neun der zur Diskussion stehenden Gräber lassen sich auf dem neuen jüdischen Friedhof in Krefeld im Feld 10, in den Reihen 8 und 9, wenn auch sehr dicht gedrängt und in einer Ecke platziert, wiederfinden.“  (S.56)  

„So weit wäre alles ‚legal’ abgelaufen und in Ordnung, wenn sic nicht bis heute in Osterath und in der Siedlung Gerüchte hielten, dass nach der Umbettung auf dem Gelände des früheren Friedhofes nach Totenschädel und andere wiederstandsfähigen Knochteile gefunden worden wären. ‚Als Zahnjähriger haben wir damals auf dem nahelelegenen Sportplatz Fußball gespielt. Grauen hat uns erfasst!’ erzählt ein Zeuge. Man will auch wissen, wo die Knochen später innerhalb der Siedlung vergraben wurden. Auch glaubt man, für die berichteten Beobachtungen eine einleuchtende Erklärung liefern zu können. Die Bürgermeisterei Osterath hätte damals eine Kolonne von zwangsweise zur Arbeit verpflichteten Leuten mit der Umbettung beauftragt. Da den Leuten nur 10 Pfenning pro Stunde Lohn gezahlt worden sei, wäre es durchaus verständlich, dass sie nicht sonderlich motiviert für die unangenehme Arbeit gewesen wären. Auch habe es an geordneter Aufsicht gefehlt. Die Osterather Juden werden es nicht gewagt haben, die Abwicklung des Umbettungsauftrages zu überwachen, beziehungsweise bei Nichtenhalten der getroffenen Abmachung Beschwerde einzulegen.“  (S.57f.)

„Aber nicht nur das veränderte geistige Klima im ganzen Land ließ die Osterather Juden hinsichtlich einer Beschwerde über die schludrige Ausführung der Umbettung vorsichtig sein, sondern auch das Wissen um ihre absolute Minderheitensituation im Ort.“ (S.60) 

Sabine Gutmann schrieb am 17. Dezember 1945 (KK 1023 Bl. 182): „Frühzeitig schon liess er die jüdischen Gräber unter einem nichtigen Vorwand entfernen.“ Julius Gutmann ergänzte: „.. das Recken in pietätloser Weise die Särge auf einem Pferdeführwerk mit den Grabsteinen nach Krefeld schaffen ließ.“

Recken wahrte den äußeren Schein. Zu seiner bürokratischen Absicherung.

Die Rheinische Heimstätte GmbH Düsseldorf, eine Vorgängergesellschaft der Landesentwicklungsgesellschaft Nordrhein-Westfalen, errichtete die Neubausiedlung. Deren Häuser Schiefelberg 18, 20, und 22 über dem jüdischen Friedhof liegen. Die Bauherren dieser Häuser waren aktive Osterather Nationalsozialisten. Was aus der Perspektive der eliminatorischen antisemitischen Ideologie der Nationalsozialisten symbolische Bedeutung hat. Was überbaut ist, hat nie existiert, es ist getilgt. Im Sinne von Bürgermeister Hugo Recken. Auch nach 1945, wie unten dokumentiert ist.

Der Meerbuscher Stadtarchivar Regenbrecht ist bis heute nicht in der Lage, seinen „Irrtum“, die „Umlegung“ sei auf den Friedhof in Uerdingen erfolgt, öffentlich zu korrigieren. Bürokratie irrt nie; irrt sie, dann muss zur Legitimation die –vermeintliche- Macht-Position durch Schweigen gehalten werden.  

Johannes Herbrandt hat sich zum Vorgang in zwei Schreiben geäußert, am 2. Januar 1946 und am 15. Juli 1947. Das erste Schreiben befindet sich in den Akten des Stadtarchivs Meerbusch, das zweite im Nachlass Herbrandt im Stadtarchiv Meerbusch. Das erste Schreiben wird von Herrn Regenbrecht herangezogen, das zweite nicht. Es trägte die Überschrift. „Zu den gegen Herrn Gemeindedirektor Recken aus Osterath erstatteten Anzeige wegen pietätloser Beseitigung des ehemaligen Judenfriedhofs in Osterath.“ Herbrandt wiederholt die bürokratisch-legitimierende –damit auch sich selbst legitimierende und absichernde- Position von 1934/35; wo beginnt interessengeleitete bürokratische Zweck-Lüge? Die von Herrn Regenbrecht unreflektiert übernommen wird.

Zwei Formulierungen von Herbrandt sind darüber hinaus hervorzuheben: „Da eine Einebnung des Friedhofes nicht aus pietätlosen Gründen vorgenommen wurde und eine Umbettung erfolgte halte ich die Errichtung eines Gedenksteins für nicht erforderlich.“ „Der Judenfriedhof war damals bereits sehr verwahrlost und seit vielen Jahren nicht mehr benutzt.“

In der von Herrn Regenbrecht genannten Akte Bestand Osterath III 1997 finden wir drei weitere Dokumente:

Eine handschriftliche Notiz zum jüdischen Friedhof von vor der „Aufhebung“, auf der 18 Namen von Beerdigten mit Daten aufgelistet sind, incl. Moses Gutmann 1933, dem Vater von Julius Gutmann. Und seine Mutter, die 1928 dort beerdigt wurde. Recken und Herbrandt waren vollständig informiert. 1934/35 und nach 1945.

Am 24. August 1945 schreibt der Regierungspräsident Düsseldorf die Oberbürgermeister und Ladräte im Auftrag des Oberpräsidenten der Nord-Rheinprovinz „Betrifft: Jüdische Friedhöfe“ an:

„Während der Naziherrschaft sind die jüdischen Friedhöfe verwüstet, zum Teil sogar eingeebnet worden. Es ist ein selbstverständliches Gebot der Pietät gegenüber den jüdischen Mitbürgern, dass, soweit es nicht schon geschehen ist, der Zustand der Verwüstung beseitigt und soweit die Friedhöfe eingeebnet sind, ein Gedenkstein erreichtet wird, zum Andenken an die auf diesem Friedhöfen beerdigten Juden. Ich ersuche, das hiernach erforderliche baldigst zu veranlassen.“

Der Landrat Kempen-Krefeld leitet dieses Schreiben am 1. September 1945 an die Bürgermeister weiter, zu diesem Zeitpunkt in Osterath Rudolf Bartels:

„Abschrift übersende ich mit Bezug auf meine Verfg. Vom 22.8.1945 zur Kenntnis mit dem Ersuchen, das Erforderliche baldigst zu veranlassen.“

Johannes Herbrandt hat das offensichtlich bürokratisch torpediert. Dafür gibt es den Begriff Insubordination – auch im strafrechtlichen und dienstrechtlichen Sinn. Dass dies so geschehen konnte dokumentiert, wie sicher sich Herbrandt sein konnte, dass er abgesichert ist.

Am 29. Juni 1946 folgte ein Schreiben des Oberpräsidenten der Nord-Rheinprivinz Düsseldorf „Betrifft: Instandhaltung jüdischer Friedhöfe“, das über den Regierungspräsidenten Düsseldorf und den Oberkreisdirektor Kempen-Krefeld an die Gemeindedirektoren ging, in Osterath dann Hugo Recken:

„Anliegende Abschrift übersende ich Ihnen mit der Bitte mir bis zum 24. ds. Mts. zu berichten, ob in ihrer Gemeinde ein jüdischer Friedhof liegt, in welchem Zustand sich dieser befindet, welche Maßnahmen zur Widerherstellung getroffen wurden und bis zu welchem Zeitpunkt dieser Friedhof wieder ein würdiges Aussehen bekommt.“

Handschriftlicher Vermerk von Hugo Recken: „Fehlanzeige“

Bürokratie passt –so weit es in ihrer Macht liegt- die Realität der von ihr definierten und geschaffenen Realität an. „Fehlanzeige“ bedeutet: Recken teilt auf dem bürokratischen Instanzenweg nach oben mit, dass es in Osterath bezüglich der Fragestellung eine „Fehlanzeige“ gäbe; eine bürokratische Lüge. Wie der Umgang mit der schriftlichen Intervention des Ehepaares Gutmann und die Anzeige gegen Hugo Recken wegen pietätloser Beseitigung des jüdischen Friedhofs, legitimiert mit einer Gefälligkeits-Eidesstattlichen Erklärung „Zu dem Judenfall Gutmann“ bürokratisch vom Tisch gewischt. In diesem Kontext erhalten die beiden Schreiben von Johannes Herbrandt eine völlig neue Bedeutung. Nachträgliche Legitimation des Unrechts, an dem er beteiligt war, in Symbiose mit Bürgermeister Hugo Recken. Antisemitismus von verantwortlichen deutschen Bürokraten nach der Befreiung, heute durch die manipulierende bewusst auslassende Darstellung von Herrn Regebrecht im Auftrag von Bürgermeister Spindler wiederum legitimiert und damit toleriert. Hier stellt sich nicht nur die Frage, wo interessengeleitete bürokratische Zweck-Lüge beginnt. Sondern auch: Wo beginnt Antisemitismus?       

Auf dem Straßenschild „Am Gutort“ –der Name wurde auf Anregung der evangelischen Kirchengemeinde gewählt- befindet sich heute der Hinweis: „In der Nähe befand sich der Osterather jüdische Friedhof Hoterheide Schiefelberg, der ‚Gute Ort’ genannt. Er wurde 1935 überbaut.“

Auf den Straßenrand gegenüber dem Straßenschild wurde ein Gedenkstein gelegt; ein Stein ohne alles. Also ohne reales Gedenken. Schein-Gedenken. Im Sinne der Recken-Legende.

Wie ist die unreflektierte Wiedergabe heute der Legitimation dieser extremen antisemitischen Maßnahme 1934/35 und 1946/47 sowie in der Folgejahren von der Symbiose Recken- Herbrandt  durch Herrn Regenbrecht ethisch, politisch, archivwisenschaftlich und geschichtswisenschaftlich sowie  ggf. auch juristisch zu bewerten?  Meine Bitte: Reflektieren Sie diese Frage selbst.

Es ist die Art aller Zeiten,

Irrtum satt Wahrheit zu verbreiten.

Johannes Wolfgang von Goethe

Der Name Schiefelberg (Scheibenberg) beruht auf folgender Gegebenheit. Die Landwehr und der Kriegerverein sowie die Schützen der St. Sebastianus Schützenbruderschaft führten dort Schießübungen durch. Da es dort keine Befürchtung gab durch unkontrolliert herumfliegende Kugeln Menschen zu gefährden.

1935 wurden die ersten Häuser auf der "Hoterheide" wo sich der bisherige jüdische Friedhof von Osteraht befunden hat, für kinderreiche Familien gebaut.  Bis heute halten sich Gerüchte, dass nach der Umbettung noch Totenschädel und weitere widerstandsfähige Knochenteile gefunden wurden. Ob es Absicht war oder an den Umständen gelegen hat, dass der Osterather Bürgermeister für die Umbettung eine Kolonne zur Zwangsarbeit zusammen gestellt hat, welche lediglich 10 Pfennig pro Stunde Lohn erhalten haben soll bleibt bis heute offen. 

Das Zusammenleben zwischen Juden und Christen in Osterath war bis in die dreißiger Jahre wie fast überall in Deutschland ein ganz normales. Man pflegte ein gemeinsames Vereinsleben, Kinder spielten gemeinsam und gingen in dieselben Schulen, Mütter trafen sich zusammen um sich auszutauschen.

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23.05.2012 19:05